W.St. / 21.02.2016
Eine chemische Reaktion ist ein
Vorgang, bei dem eine oder meist mehrere chemische Verbindungen in
andere umgewandelt werden. Auch Elemente können
an Reaktionen beteiligt sein. Chemische Reaktionen sind in der Regel mit
Veränderungen der chemischen Bindungen in Molekülen oder Kristallen verbunden. Durch eine
chemische Reaktion können sich die Eigenschaften der Produkte im Vergleich zu den Edukten stark
ändern. Nicht zu den chemischen Reaktionen zählen physikalische Vorgänge, bei
denen sich lediglich der Aggregatzustand ändert wie Schmelzen oder Verdampfen, Diffusion, das Vermengen von Reinstoffen zu Stoffgemischen sowieKernreaktionen, bei denen Elemente in andere
umgewandelt werden.
Reaktionen bestehen aus einer meist recht
komplizierten Folge einzelner Teilschritte, den sogenannten Elementarreaktionen, die zusammen die
Gesamtreaktion bilden. Auskunft über den exakten Ablauf der Teilschritte gibt
der Reaktionsmechanismus.
Zur Beschreibung chemischer Reaktionen wird die Reaktionsgleichung verwendet,
in der Edukte, Produkte und mitunter auch wichtige Zwischenprodukte graphisch
dargestellt werden und über einen Pfeil, den Reaktionspfeil, miteinander verbunden werden.
Sowohl Elementarreaktionen als auch Reaktionsmechanismen
kann man in verschiedene Gruppen aufteilen. Zu den Elementarreaktionen zählen
etwa der Zerfall von einem Molekül in zwei oder der umgekehrte Fall, die Synthese von zwei Atomen oder
Molekülen zu einem. Reaktionsmechanismen werden häufig nach der erfolgten
Änderung in den beteiligten Stoffen eingeteilt. Erfolgt etwa eine Änderung
der Oxidationszahlen,
spricht man von Oxidation und Reduktion;
entsteht ein festes Produkt aus gelösten Stoffen, von einer Fällung.
In welchem Umfang eine bestimmte Reaktion zweier oder
mehrerer Partner stattfindet, hängt davon ab, wie groß die Differenz der sich
aus einem enthalpischen und
einem entropischen Anteil
zusammensetzendenGibbs-Energie der
Produkte und der Edukte ist. Bei negativen Werten liegt das Reaktionsgleichgewicht auf
Seite der Produkte. Es gibt jedoch auch viele Reaktionen, die zwar in diesem
Sinne thermodynamischmöglich
sind, aber kinetisch nur
sehr langsam ablaufen, im Extremfall so langsam, dass sie praktisch nicht
beobachtet werden können. Verantwortlich hierfür ist eine zu hohe Aktivierungsenergie,
die aufgebracht werden muss, damit die weitere Reaktion möglich wird. Derartige
Reaktionen laufen aber bei höheren Temperaturen schneller ab, da so eine
vergleichsweise größere Anzahl der beteiligten Teilchen genug Energie besitzt
um die Aktivierungsbarriere zu überwinden. Bei vielen Reaktionen ist dies auch
mittels Katalyse möglich, bei der nicht die
direkte Reaktion, sondern eine andere, bei der ein dritter, aus der Reaktion
unverändert hervorgehender Stoff beteiligt ist, stattfindet. Durch die
Anwesenheit dieses Katalysators wird
die benötigte Aktivierungsenergie gesenkt.
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Geschichte
Antoine Lavoisier entwickelte die Theorie zur Verbrennung als chemische Reaktion mit Sauerstoff
Antoine Lavoisier
entwickelte die Theorie zur Verbrennung als chemische Reaktion mit Sauerstoff
Chemische Reaktionen wie die Verbrennung im Feuer,
die alkoholische Gärung oder
die Reduktion von Erzen zu Metallen – beispielsweise bei
Eisen – sind schon seit sehr langer Zeit bekannt. Erste Theorien zur Umwandlung
von Stoffen wurden von griechischen Philosophen entwickelt, etwa die Vier-Elemente-Lehre des Empedokles, nach der jeder Stoff aus den vier
Grundelementen Feuer, Wasser, Luft und Erde zusammengesetzt ist und in diese
auch zerlegt werden kann. Im Mittelalter beschäftigten sich vor allem die Alchemisten mit chemischen Reaktionen.
Dabei versuchten sie insbesondere Blei in Gold umzuwandeln,
wobei sie unter anderem Reaktionen von Blei und Blei-Kupfer-Legierungen
mit Schwefel einsetzten.[1]
Die Herstellung chemischer Substanzen, die in der
Natur nicht vorkommen, durch geeignete Reaktionen ist schon lange bekannt. Dies
betrifft etwa die Schwefel- undSalpetersäure, deren erstmalige Herstellung
dem umstrittenen Alchemisten Dschābir ibn Hayyān zugeschrieben
werden. Die Herstellung erfolgte durch Erhitzung von Sulfat- und Nitraterzen
wie Kupfervitriol, Alaun und Salpeter. Im 17. Jahrhundert stellte Johann Rudolph
Glauber durch Reaktion von Schwefelsäure und Natriumchlorid erstmalsSalzsäure und Natriumsulfat her. Mit Entwicklung
des Bleikammer-Verfahrens zur
Schwefelsäureproduktion und des Leblanc-Verfahrens zur Natriumcarbonatherstellung wurden chemische
Reaktionen auch industriell eingesetzt. Mit der zunehmenden Industrialisierung
wurde die industrielle Synthese immer bedeutender und es wurden neuere und
effizientere Verfahren entwickelt. Beispiele sind etwa das ab 1870
angewendete Kontaktverfahren zur
Schwefelsäureproduktion oder das 1910 entwickelte Haber-Bosch-Verfahren zur Ammoniaksynthese.
Ab dem 16. Jahrhundert versuchten Forscher
wie Johan Baptista
van Helmont, Robert Boyle oder Isaac Newton beobachtete chemische Umwandlungen
wissenschaftlich zu untersuchen und Theorien zu ihrem Ablauf aufzustellen. Eine
wichtige untersuchte Reaktion war die Verbrennung,
für die Johann Joachim Becher und Georg Ernst Stahl Anfang des
18. Jahrhunderts die Phlogistontheorie entwickelten. Diese
erwies sich jedoch als falsch und konnte 1785 durch Antoine Lavoisier widerlegt werden, der
die korrekte Erklärung der Verbrennung als Reaktion mit Sauerstoff der Luft
fand.[2]
Joseph Louis
Gay-Lussac erkannte 1808, dass Gase stets in bestimmten
Verhältnissen miteinander reagieren. Daraus und aus Daltons Atomtheorie entwickelte Joseph Louis Proust das Gesetz
der konstanten Proportionen, auf dem die Stöchiometrie aufbaut und das auch die
Entwicklung der Reaktionsgleichungen ermöglichte.[3]
Für organische Reaktionen wurde lange Zeit
angenommen, dass sie durch eine spezielle „Lebenskraft“ (vis vitalis) bestimmt
werden und sich so von nicht-organischen Reaktionen unterscheiden. Nach der Harnstoffsynthese aus anorganischen Vorläufersubstanzen
durch Friedrich Wöhler 1828
verlor diese Annahme in der Chemie stark an Bedeutung. Weitere Chemiker, die
wichtige Beiträge zur Aufklärung organischer chemischer Reaktionen lieferten,
waren beispielsweise Justus von Liebig mit seiner Radikaltheorie, Alexander
William Williamson, der die nach ihm benannte Synthese von Ethern entwickelte,
sowie Christopher Kelk
Ingold, der unter anderem die Mechanismen für Substitutionsreaktionen erforschte.
→ Hauptartikel: Reaktionsgleichung
Schematische einfache Reaktionsgleichung
Kompliziertere Reaktionen werden durch Formelschemata
dargestellt, die neben Edukten und Produkten auch wichtige Zwischenprodukte
oder Übergangszustände zeigen.
Dabei werden die Reaktionswege durch Pfeile verdeutlicht, die den Angriff
von Elektronenpaaren eines
Atoms an andere Atome zeigen. In Reaktionsgleichungen der organischen Chemie
werden kleine, anorganische Moleküle wie Wasser oder Kohlenstoffdioxid, häufig auf den Pfeil (für
Edukte) oder darunter (für Produkte) gesetzt oder durch Vorzeichen kenntlich
gemacht. Auch Katalysatoren, Lösungsmittel, besondere Bedingungen oder
andere Stoffe, die während der Reaktion eine Rolle spielen, sich bei dieser
aber nicht verändern, werden auf den Reaktionspfeil geschrieben.
Typischer Reaktionsmechanismus der organischen Chemie (Beispiel: Baeyer-Villiger-Oxidation anhand
der Reaktion einerPercarbonsäure mit
einem Keton)
Für die Planung komplizierter Synthesen kann auch die
Schreibweise einer Reaktion als Retrosynthese nützlich sein. Hier wird
eine Reaktion vom Ende, also dem Produkt her aufgeschrieben, das über mögliche
Syntheseschritte so lange zerlegt wird, bis mögliche Edukte erreicht sind.
Retrosynthesen werden durch einen speziellen Pfeil, den Retrosynthesepfeil (),
gekennzeichnet.[5]
Elementarreaktionen
Die Elementarreaktion ist der kleinste
Abschnitt, in den eine chemische Reaktion zerlegt werden kann. Makroskopisch
beobachtbare Reaktionen bauen sich aus einer Vielzahl Elementarreaktionen auf,
die parallel oder nacheinander ablaufen. Die konkrete Abfolge einzelner
Elementarreaktionen bezeichnet man auch als Reaktionsmechanismus.
An einer Elementarreaktion sind in der Regel ein oder zwei, selten drei
Moleküle beteiligt. Reaktionen mit mehr Molekülen sind praktisch
ausgeschlossen, da es äußerst unwahrscheinlich ist, dass sich mehr als drei
Moleküle gleichzeitig nahe genug für eine Reaktion kommen.[6]
Die wichtigsten Elementarreaktionen sind die
unimolekularen und die bimolekularen Reaktionen. Bei einer unimolekularen Reaktion
ist nur ein Molekül beteiligt, das sich durch eine Isomerisierung oder einen
Zerfall in ein oder mehrere andere Moleküle umwandelt. Für diese Reaktionen
braucht es in der Regel Energiezufuhr etwa in Form von Wärme oder durch
Bestrahlung mit Licht.
Ein Beispiel für eine typische unimolekulare Reaktion
ist die cis-trans-Isomerisierung, bei der
die cis-Form einer Verbindung in die trans-Form oder
umgekehrt umgewandelt wird.
Bei einer Dissoziation spaltet
sich eine Bindung in einem Molekül und es entstehen zwei Teile. Die Spaltung
kann homo-
oder heterolytisch erfolgen.
Im ersten Fall wird die Bindung so gespalten, dass jeder Teil ein Elektron
behält und Radikale entstehen,
bei der heterolytischen Spaltung bleiben beide Elektronen bei einem Teil des
Moleküls, während der andere keine Elektronen aus der gespaltenen Bindung
zurückbehält und so Ionen entstehen. Zerfälle spielen eine
wichtige Rolle beim Auslösen von Kettenreaktionen wie
der Knallgasreaktion oder Polymerisationen.
Zerfall eines Moleküls AB in zwei
kleinere Teile A und B
Es ist aber auch möglich, dass bei einer
Reaktion kein stabiles Molekül entsteht und nur ein Teil des einen auf das
andere Molekül übergeht. Dieser Reaktionstyp tritt beispielsweise bei Redox-
und Säure-Base-Reaktionen auf. Bei Redoxreaktionen ist das übertragene Teilchen
ein Elektron, bei Säure-Base-Reaktionen ein Proton. Dieser Reaktionstyp wird
auch Metathese genannt.
Jede chemische Reaktion in homogener Phase ist umkehrbar und kann in
beide Richtungen verlaufen. Wenn etwa die Reaktion zweier Stoffe zu einem
dritten stattfindet, existiert gleichzeitig auch der Zerfall des dritten in die
Ausgangsstoffe. Hin- und Rückreaktion stehen immer in Konkurrenz zueinander und
unterscheiden sich durch unterschiedliche Reaktionsgeschwindigkeiten. Da
Reaktionsgeschwindigkeiten auch konzentrationsabhängig sind, ändern sie sich
mit der Zeit. Die Geschwindigkeiten von Hin- und Rückreaktion nähern sich mit
Verlauf der Reaktion immer weiter an, bis sie schließlich gleich sind. Zu
diesem Zeitpunkt ändern sich die Konzentrationen der einzelnen Stoffe in der
Reaktionsmischung nicht mehr, ein Gleichgewicht, das sogenannte chemische
Gleichgewicht, ist erreicht.
Die Lage des Gleichgewichtes ist neben
den Eigenschaften der beteiligten Stoffe abhängig von der Temperatur und dem
Druck und wird durch die minimale freie Energie bestimmt. Häufig wird auch mit
der Ableitung der
freien Enthalpie, der freien Reaktionsenthalpie gerechnet, die im Gleichgewicht
0 sein muss. Die Druckabhängigkeit lässt sich einfach mit dem Prinzip von Le
Chatelier erklären, nach der ein System einem Zwang wie einer
Druckerhöhung so ausweicht, dass die Wirkung minimal wird.
An diesem Punkt ist die maximale
Ausbeute einer Reaktion erreicht, da bei weiterer Bildung eines Produktes nun
die Rückreaktion schneller abläuft und daher so lange bevorzugt wird, bis
wieder das Gleichgewicht erreicht wird. Größere Ausbeuten lassen sich aber
durch Entfernen von Produkten aus der Reaktionsmischung, bei der das
Gleichgewicht gestört wird, oder durch Änderungen von Druck oder Temperatur
erzielen. Keinen Einfluss auf die Lage des Gleichgewichtes besitzen die
Ausgangskonzentrationen der beteiligten Stoffe.
Hauptartikel: Thermodynamik
Chemische Reaktionen werden maßgeblich
von den Gesetzen der Thermodynamik bestimmt. Prinzipiell läuft jede Reaktion
ab. Jedoch liegt das Gleichgewicht in sehr vielen Fällen fast vollständig auf
Seite der Edukte. Damit eine Reaktion ablaufen kann, muss sie exergon sein, also die freie Enthalpie während der Reaktion
abnehmen. Die freie Enthalpie setzt sich aus zwei verschiedenen
thermodynamischen Größen, derEnthalpie und
der Entropie,
zusammen. Diese sind über die Fundamentalgleichung für die freie Enthalpie
miteinander verbunden.[7]
G: freie
Enthalpie, H: Enthalpie, T: Temperatur, S: Entropie,
Δ: Differenzen
Reaktionen können auf mehrere Arten
stattfinden. Eine Möglichkeit ist die exotherme Reaktion,
bei der ΔH negativ ist und Energie frei wird. Abhängig von der
Größe der freiwerdenden Energie können hierbei auch hochgeordnete Strukturen,
die eine niedrige Entropie besitzen, entstehen. Typische Beispiele für
exotherme Reaktionen mit Entropieverlust sind Fällungen und Kristallisationen, bei denen aus ungeordneten
Strukturen in Gasphase, Flüssigkeit oder Lösung, geordnete feste Strukturen
entstehen. Bei endothermen Reaktionen wird dagegen Wärme verbraucht und muss
aus der Umgebung aufgenommen werden. Diese können nur ablaufen, wenn
gleichzeitig die Entropie des Systems zunimmt. Dies kann beispielsweise über
die Bildung gasförmiger Reaktionsprodukte erfolgen, die eine hohe Entropie
besitzen.
Da die Entropie temperaturabhängig ist
und mit steigender Temperatur zunimmt, finden Entropie-bestimmte Reaktionen wie
Zerfälle bevorzugt bei hohen Temperaturen statt. Energie-bestimmte Reaktionen
wie Kristallisationen finden dagegen vor allem bei tiefen Temperaturen statt.
Mitunter lässt sich die Richtung einer Reaktion durch Temperaturänderung
umdrehen.
Ein Beispiel hierfür
ist das Boudouard-Gleichgewicht.
Die Reaktion von Kohlenstoffdioxid und Kohlenstoff zu Kohlenstoffmonoxid ist
endotherm, so dass das Gleichgewicht bei tiefen Temperaturen auf der Seite des
Kohlenstoffdioxides liegt. Erst bei Temperaturen von über 800 °C ist durch
die höhere Entropie auf der Seite des Kohlenstoffmonoxides diese Seite
bevorzugt.[8]
Auch über Änderungen der inneren Energie können Reaktionen
betrachtet werden. Diese lässt sich ebenfalls über eine Fundamentalgleichung beschreiben,
die unter anderem Entropie, Volumenänderungen undchemisches Potential berücksichtigt.
Letzteres hängt unter anderem von den Aktivitäten der
beteiligten Stoffe ab.[9]
U: innere
Energie, S: Entropie, p: Druck, μ: chemisches
Potential, n: Stoffmenge, d: differentielle Schreibweise
Hauptartikel: Kinetik (Chemie)
Die Reaktionskinetik untersucht die
Geschwindigkeit, mit der eine Reaktion abläuft. Diese ist von verschiedenen
Parametern der Reaktion abhängig, etwa der Reaktionsordnung, den Konzentrationen der
beteiligten Stoffe, der Temperatur, der Aktivierungsenergie und
weiteren, meist empirisch bestimmten Faktoren. Zudem gibt es verschiedene
Theorien, Reaktionsgeschwindigkeiten für verschiedene Systeme theoretisch auf
molekularer Ebene zu berechnen. Dieses Arbeitsgebiet wird in Abgrenzung zur
Reaktionskinetik auch als Reaktionsdynamik bezeichnet.
Für Elementarreaktionen lassen sich
einfache Geschwindigkeitsgesetze aufstellen, die sich je nach Reaktionsordnung
unterscheiden und die Abhängigkeit von den Konzentrationen der beteiligten
Stoffe zeigen. Für eine Reaktion erster Ordnung, also etwa einen Zerfall eines
Stoffes A, gilt für die Reaktionsgeschwindigkeit v (k:
Geschwindigkeitskonstante, t: Zeit, [A]: Konzentration von A, [A]0:
Anfangskonzentration von A):
integriert
Die Reaktionsgeschwindigkeit hängt also
bei einer Reaktion erster Ordnung nur von der Konzentration und den
Eigenschaften des zerfallenden Stoffes ab. Da bei einer Reaktion 1. Ordnung die
Konzentrationexponentiell mit
der Zeit abnimmt, lässt sich eine konstante und damit für die jeweilige
Reaktion typische Halbwertszeit bestimmen.
Vor allem bei den nicht zu den chemischen Reaktionen gehörenden, aber ebenfalls
nach einem Geschwindigkeitsgesetz erster Ordnung ablaufenden radioaktiven Zerfällen wird
dieser Wert häufig angegeben. Für andere Reaktionsordnungen und kompliziertere
Reaktionen existieren entsprechend andere Geschwindigkeitsgesetze. Um die
Geschwindigkeitskonstante zu berechnen, kann die Arrhenius-Gleichung verwendet
werden, die die Temperaturabhängigkeit der Konstante zeigt.
Ein einfaches Modell, mit dem der
molekulare Ablauf einer chemischen Reaktion und die Reaktionsgeschwindigkeiten
erklärt werden können, ist die Stoßtheorie. Mit dieser lassen sich jedoch nur
wenige einfache Reaktionen einigermaßen korrekt berechnen. Für kompliziertere
Reaktionen muss darum auf genauere Theorien, die in der Regel auf ein
spezielles Problem zugeschnitten sind, zurückgegriffen werden. Dazu zählen etwa
die Theorie des
Übergangszustandes, die Berechnung der Potentialhyperfläche,
die Marcus-Theorie und
die RRKM-Theorie.[10]
Arten von Reaktionen
Reaktionen können in verschiedene Arten
eingeteilt werden, die sich in der Art des übertragenen Teilchens und den
entstehenden Produkten unterscheiden.
Oxidation und Reduktion
Hauptartikel: Redoxreaktion
Werden bei einer Reaktion zweier
Atome Elektronen übertragen, ändern sich
die Oxidationsstufen der
beteiligten Atome. Das Atom, das ein oder mehrere Elektronen abgibt (Reduktionsmittel genannt), wird oxidiert,
das andere, das Oxidationsmittel,
entsprechend reduziert. Da beide Reaktionen stets zusammen auftreten, spricht
man auch von einer Redoxreaktion.
Welcher der beteiligten Reaktionspartner
Reduktions- beziehungsweise Oxidationsmittel ist, lässt sich anhand der Elektronegativitäten der
beteiligten Elemente vorhersagen. Elemente mit niedrigen Elektronegativitäten,
wie die meisten Metalle, geben leicht
Elektronen ab und werden dementsprechend oxidiert, Nichtmetalle mit hohen
Elektronegativitäten werden dagegen leicht reduziert. Sind Ionen an
einer Redoxreaktion beteiligt, ist auch die Oxidationsstufe des Ions zu
beachten. So sind Chromate oder Permanganate, bei denen die Elemente in hohen
Oxidationsstufen vorliegen, starke Oxidationsmittel.
Wie viele Elektronen ein Element in
einer Redoxreaktion abgibt beziehungsweise aufnimmt, lässt sich häufig durch
die Elektronenkonfiguration der
Edukte vorhersagen. Elemente versuchen, dieEdelgaskonfiguration zu
erreichen und geben darum häufig eine dementsprechende Anzahl Elektronen ab
oder nehmen sie auf. Dies gilt insbesondere für viele Hauptgruppenelemente wie die Alkalimetalle,Erdalkalimetalle oder Halogene. Für Übergangsmetalle und
insbesondere schwere Atome gilt dies auf Grund der notwendigen hohen Ladung zum
Erreichen der Edelgaskonfiguration und dem zunehmenden Einfluss relativistischer
Effekte jedoch vielfach nicht. Die Edelgase, die schon Edelgaskonfiguration
besitzen, haben dementsprechend keine Neigung, weitere Elektronen aufzunehmen
und sind sehr reaktionsträge.
Eine wichtige Klasse der Redoxreaktionen
sind die elektrochemischen Reaktionen.
In der Elektrolyse dienen
die Elektronen des elektrischen Stroms als
Reduktionsmittel. Elektrochemische Reaktionen finden ingalvanischen Zellen statt, bei denen
Reduktion und Oxidation räumlich getrennt stattfinden. Besonders wichtig sind
diese Reaktionen für die Gewinnung vieler Elemente wie Chlor oder Aluminium. Auch die umgekehrte Reaktion, bei
der in Redoxreaktionen Elektronen frei werden und als elektrische Energie
genutzt werden können, ist möglich. Dies ist das Prinzip der Batterie, in der
Energie chemisch gespeichert und in elektrische Energie umgewandelt wird.
Hauptartikel: Komplexbildungsreaktion
Bei der Komplexbildungsreaktion
reagieren mehrere Liganden mit einem
Metallatom zu einem Komplex. Dies
erfolgt dadurch, dass freie Elektronenpaare der
Liganden in leere Orbitale des
Metallatoms eindringen und eine koordinative Bindung bilden.
Bei den Liganden handelt es sich um Lewis-Basen, die freie Elektronenpaare
besitzen. Dies können sowohl Ionen als auch neutrale Moleküle (etwa Kohlenstoffmonoxid,
Ammoniak oder Wasser) sein. In welcher Anzahl Liganden mit dem zentralen
Metallatom reagieren, lässt sich häufig mit Hilfe der 18-Elektronen-Regel voraussagen,
durch die besonders stabile Komplexe bestimmt werden können. Nach der Kristallfeld-
und Ligandenfeldtheorie spielt auch die Geometrie des Komplexes
eine wichtige Rolle, besonders häufig bilden sich tetraedrische oder oktaedrische Komplexe.[11]
Auch innerhalb eines Komplexes können
Reaktionen stattfinden. Dazu zählen etwa der Ligandenaustausch, bei der ein oder mehrere
Liganden durch einen anderen ersetzt werden, Umlagerungen sowie Redox-Vorgänge,
bei denen sich die Oxidationsstufe des zentralen Metallatoms ändert.[11]
Hauptartikel: Säure-Base-Reaktion
Säure-Base-Reaktionen sind – bei der
Säuredefinition nach Brønsted –
Reaktionen, bei denen Protonen von einem Molekül zum anderen
übertragen werden. Dabei wird das Proton immer von der Säure(Protonendonator) auf die Base (Protonenakzeptor) übertragen.
Säure-Base-Reaktion, HA: Säure, B: Base,
A−: korrespondierende Base, HB+: korrespondierende Säure
Da bei der Übertragung des Protons von
der Säure zur Base wiederum eine Base und eine Säure entstehen, die sogenannten
korrespondierenden Säuren bzw. Basen, ist auch die Rückreaktion möglich. Säure/Base
und korrespondierende Base/Säure stehen daher immer im Gleichgewicht. Auf
welcher Seite der Reaktion das Gleichgewicht liegt, lässt sich durch die Säurekonstanten der beteiligten Stoffe
bestimmen. Je stärker eine Säure bzw. Base ist, desto leichter gibt sie das
Proton ab bzw. nimmt es auf. Ein Spezialfall der Säure-Base-Reaktion ist
die Neutralisation,
bei der eine Säure und eine Base in exakt dem Verhältnis reagieren, dass eine
neutrale Lösung, also eine Lösung ohne Überschuss an Hydroxid- oder Oxoniumionen entsteht.
Hauptartikel: Fällung
Die Fällung ist eine Reaktion, bei der
vorher gelöste Teilchen zu einem festen Niederschlag werden. Dies findet vor
allem bei gelösten Ionen statt, die sich bei Überschreitung des Löslichkeitsprodukteszusammenfinden
und ein unlösliches Salz bilden. Dies kann
beispielsweise durch Zugabe eines Fällungsmittels mit geringem
Löslichkeitsprodukt zu einem schon gelösten Salz oder durch Entfernen des
Lösungsmittels erfolgen. Je nach Bedingungen kann ein Stoff sehr
unterschiedlich aus einer Lösung ausfallen. Erfolgt die Fällung schnell, haben
die Ionen keine Zeit sich zu ordnen, es bildet sich ein amorpher oder mikrokristalliner Niederschlag.
Beim langsamen Überschreiten des Löslichkeitsproduktes und einer Übersättigung
erfolgt die Fällung dagegen nur langsam. Die Ionen haben daher Zeit, sich zu
ordnen und es bilden sich regelmäßig aufgebaute Kristalle. Dies kann auch durch Umkristallisation aus dem
mikrokristallinen Niederschlag erfolgen.[12]
Reaktionen können auch zwischen zwei
festen Stoffen stattfinden. Jedoch ist die Diffusion, die die Reaktionsgeschwindigkeit
hierbei maßgeblich bestimmt, sehr klein, Festkörperreaktionen sind
dementsprechend langsame Reaktionen. Dies bewirkt, dass Festkörperreaktionen in
der Regel bei hohen Temperaturen durchgeführt werden müssen. Gleichzeitig
sollten die Reaktanten möglichst fein verteilt vorliegen, da so eine möglichst
große Oberfläche, an der die beiden Stoffe reagieren können, geschaffen wird.[13]
Hauptartikel: Photochemie
In photochemischen Reaktionen
spielt elektromagnetische
Strahlung eine entscheidende Rolle. Von besonderer Bedeutung
sind hierbei Licht und UV-Strahlung von etwa 200 bis
800 nm Wellenlänge. Durch
diese Strahlung werden Elektronen in Atomen
und Molekülen angeregt, es bilden sich angeregte Zustände.
Diese sind durch die absorbierten Photonen sehr energiereich und können die
Energie über verschiedene Prozesse abgeben. Neben physikalischen Prozessen
wie Fluoreszenz und Phosphoreszenz sind hier auch Reaktionen
möglich. Häufig erfolgen homolytische Bindungsbrüche, so dass Radikale entstehen. So können durch
photochemische Reaktionen beispielsweise Kettenreaktionen wie
die Knallgasreaktion von Wasserstoff und Sauerstoff ausgelöst werden. Aber
auch Ionisierungen, Elektronentransferreaktionen,Isomerisierungen oder Umlagerungen können durch photochemische
Reaktionen verursacht werden.[14]
Eine biologisch sehr wichtige
photochemische Reaktion ist die Photosynthese, bei der mit Hilfe von Licht
organische Verbindungen aus Kohlenstoffdioxid und Wasser synthetisiert werden. Auch in derAtmosphärenchemie,
etwa beim Auf- und Abbau von Ozon spielen
photochemische Reaktionen eine wichtige Rolle.
Katalyse
Bei einer Katalyse findet die Reaktion
zweier Stoffe nicht direkt, sondern über einen Umweg statt. Es ist immer ein
dritter Stoff, der sogenannte Katalysator, beteiligt, der in die Reaktion
eingreift, aber am Ende stets unverändert aus der Reaktion hervorgeht. Durch
die Katalyse können Reaktionen, die durch eine hohe Aktivierungsenergie
kinetisch gehemmt wird, unter Umgehung dieser Aktivierungsenergie stattfinden.
Dadurch ist häufig nur noch ein geringer Energieeinsatz und damit eine
wirtschaftliche Durchführung einer Reaktion möglich. Mitunter werden Reaktionen
durch Katalysatoren auch erst ermöglicht, wenn etwa bei sonst nötigen
Temperaturen Konkurrenzreaktionen bevorzugt ablaufen.
Katalysatoren können sowohl in einer
anderen Phase (heterogen) als auch in gleicher Phase (homogen) vorliegen.
Heterogene Katalysatoren sind meist Festkörper, an deren Oberfläche die
Reaktionen stattfinden. Dementsprechend sollte die Oberfläche des Katalysators
für eine effektive Katalyse möglichst groß sein. Katalytische Reaktionen an
Oberflächen sind häufig mit Chemisorption verbunden, bei der ein
Molekül chemisch an die Oberfläche gebunden und daher die Bindungen innerhalb
des Moleküls geschwächt werden. So ist eine leichtere Reaktion möglich.
Von besonderer Bedeutung in der
heterogenen Katalyse sind die Platinmetalle und weitere
Übergangsmetalle, die in vielen technisch wichtigen Reaktionen wie Hydrierungen, Katalytisches
Reforming oder der Synthese von Grundchemikalien wie Salpetersäure oder Ammoniak verwendet werden. Katalysatoren
der Homogenen Katalyse können etwa Säuren sein, die die Nukleophilie
einer Carbonylgruppe erhöhen
und so eine Reaktion mit sonst nicht reagierenden Elektrophilen ermöglichen,
oder lösliche Komplexe wie bei der Hydroformylierung.
Homogene Katalysatoren haben den
Vorteil, dass es keine Probleme mit der Erreichbarkeit des Katalysators und zu
kleinen Oberflächen gibt, die Reaktanten und der Katalysator können durch
Vermischen und Rühren leicht zusammengebracht werden. Zudem kann der
Katalysator, etwa ein Komplex, speziell und reproduzierbar für eine Reaktion
synthetisiert werden. Ein Nachteil ist jedoch die schwierige Abtrennung des
Katalysators vom Produkt, was zu Verunreinigungen und Verlust des meist teuren
Katalysators führen kann. Darum werden in vielen technischen Prozessen
heterogene Katalysatoren bevorzugt.[15]
In der organischen Chemie gibt es neben
den auch bei anorganischen Stoffen ablaufenden Reaktionen wie Oxidationen,
Reduktionen oder Säure-Base-Reaktionen eine Vielzahl weiterer Reaktionen, bei
denen kovalente Bindungen zwischen Kohlenstoffatomen oder Kohlenstoff- und
Heteroatomen (beispielsweise Sauerstoff, Stickstoff, Halogene) gebildet werden.
Diese werden neben der Unterscheidung zwischen homolytischen und radikalisch
ablaufenden Reaktionen, vor allem nach der Art der Strukturänderung eingeteilt.
Viele spezielle Reaktionen in der organischen Chemie sind als Namensreaktionen nach ihren Entdeckern
benannt.
→ Hauptartikel: Substitutionsreaktion
Bei der Substitution wird ein Atom,
Molekülteil oder Ligand (in der Komplexchemie, in der Substitutionen ebenfalls
möglich sind) gegen einen anderen ausgetauscht. Ein angreifendes Atom oder
Molekül nimmt dabei den Platz eines anderen, als Abgangsgruppe abgespaltenen Atoms oder
Moleküls ein. Die Bindigkeit des
Kohlenstoffatoms ändert sich nicht.
Substitutionsreaktionen können je nach
angreifendem Teilchen in drei Arten eingeteilt werden. Bei nukleophilen
Substitutionen greift ein Nukleophil, also ein Atom oder Molekül mit
einem Elektronenüberschuss und damit einer negativen Ladung oder Partialladung, an ein geeignetes
Kohlenstoffatom an und ersetzt ein anderes Atom oder Teilmolekül. Typische
Nukleophile sind Atome, Ionen oder Atomgruppen mitelektronegativen Nichtmetallen
wie Amine, Halogenide, Thiole, Hydroxide oder Alkoholate. Neben dem Nukleophil spielt auch
die Abgangsgruppe eine Rolle, ob eine Substitution stattfindet. Gute
Abgangsgruppen sollten leicht abzuspalten sein und möglichst stabile Moleküle
oder Ionen bilden. Beispiele sind die schweren Halogenide Bromid und Iodid oder
Stickstoff. Diesen Reaktionstyp findet man vorwiegend beialiphatischen
Kohlenwasserstoffen, bei Aromaten ist er – da Aromaten eine hohe
Elektronendichte besitzen – eher selten und kann nur unter speziellen Umständen
bei sehr stark elektronenziehenden Gruppen am Aromaten stattfinden (Nukleophile
aromatische Substitution). Nukleophile Substitutionen können nach
zwei verschiedenen Mechanismen, als SN1 und SN2
bezeichnet, ablaufen. Die Bezeichnungen leiten sich von den Reaktionsordnungen
ab, nach denen die geschwindigkeitsbestimmenden Schritte der beiden
Reaktionsarten ablaufen.
Im SN1-Mechanismus wird
zunächst die Abgangsgruppe abgespalten,
es entsteht ein Carbokation.
Anschließend erfolgt eine schnelle Reaktion mit dem Nukleophil.
Beim SN2-Mechanismus greift zunächst das Nukleophil
unter Bildung eines gemeinsamen Übergangszustandes an, erst danach wird die
Abgangsgruppe abgespalten. Die beiden Mechanismen unterscheiden sich in der Stereochemie der erhaltenen Produkte, bei SN1 tritt auf Grund des dreibindigen Carbokations
eine Racemisierung ein, während bei SN2 eine Umkehr der vorher vorhandenen
Stereochemie (Walden-Umkehr) beobachtet wird.[16]
Das Gegenstück zur
nukleophilen Substitution ist die Elektrophile
Substitution. Bei dieser ist
ein Elektrophil, also ein Atom oder Molekül mit einer geringeren
Elektronendichte, also einer positiven Ladung oder Partialladung, das
angreifende Teilchen. Typische Elektrophile sind beispielsweise Carbokationen,
das Kohlenstoffatom in Carbonylgruppen, Schwefeltrioxid oder Nitronium-Kationen. Diese Reaktion findet fast ausschließlich bei
aromatischen Kohlenwasserstoffen statt, man spricht darum auch häufig von einer elektrophilen
aromatischen Substitution. Im
Mechanismus bildet sich durch den Angriff des Elektrophils zunächst der
sogenannte σ-Komplex, ein Übergangszustand, bei dem das aromatische System
aufgehoben ist. Anschließend wird die Abgangsgruppe, in der Regel ein Proton,
abgespalten und das aromatische System wiederhergestellt.[17]
Bei der dritten Substitutionsart ist das
angreifende Teilchen ein Radikal,
es wird darum auch von einer radikalischen Substitution gesprochen.
Diese verläuft in Form einer Kettenreaktion und findet
beispielsweise bei der Reaktion von Alkanen mit Halogenen statt. Im ersten
Schritt werden etwa durch Licht, Hitze oder den Zerfall von sehr instabilen
Molekülen wenige Startradikale gebildet. In der Kettenreaktion verläuft die
Reaktion durch Übertragung des Radikals weiter, bis es durch die Rekombination zweier Radikale zu einem
Kettenabbruch kommt.[18]
Reaktionen während der Kettenreaktion
einer radikalischen Substitution
Addition/Eliminierung[Bearbeiten]
Die Addition und
das Gegenstück, die Eliminierung,
sind Reaktionen, bei denen sich die Anzahl der Substituenten am Kohlenstoffatom
ändert und Mehrfachbindungen gebildet oder gespalten werden. Bei
Eliminierungsreaktionen werden Doppel- und Dreifachbindungen aufgebaut, indem an jedem
Kohlenstoffatom der Bindung jeweils ein Substituent entfernt („eliminiert“)
wird. Für eine Eliminierung muss sich an einem Kohlenstoffatom der fraglichen
Bindung eine geeignete Abgangsgruppe befinden, die relativ leicht abgespalten
werden kann. Ähnlich wie bei der nukleophilen Substitution gibt es mehrere
mögliche Mechanismen, die je nach Molekül und Bedingungen ablaufen und wiederum
nach der jeweiligen Reaktionsordnung benannt sind. Im E1-Mechanismus findet
zunächst die Abspaltung der Abgangsgruppe unter Bildung eines Carbokations
statt. Im nächsten Schritt erfolgt dann die Ausbildung der Doppelbindung unter
Abspaltung eines Protons. Auf Grund der ähnlichen Bedingungen beider Reaktionen
steht die E1-Eliminierung immer in Konkurrenz zur SN1-Substitution.[19]
Ebenfalls erster
Reaktionsordnung ist der E1cb-Mechanismus, bei dem mit Hilfe einer Base
zunächst das Proton abgespalten wird und sich ein Carbanion bildet. Im nächsten Schritt bildet sich unter
Abspaltung der Abgangsgruppe die Doppelbindung.[20]
Der E2-Mechanismus erfordert
ebenfalls eine Base. Bei diesem laufen jedoch der Angriff der Base und die
Abspaltung der Abgangsgruppe konzertiert ab und es wird kein ionisches Zwischenprodukt
gebildet. Im Gegensatz zu den E1-Eliminierungen ist hier die Festlegung der
Stereochemie im Produkt möglich, da eine Reaktion der Base in anti-Stellung zur Abgangsgruppe
bevorzugt abläuft. Durch ähnliche Bedingungen und Reagenzien steht die
E2-Eliminierung immer in Konkurrenz zur SN2-Substitution.[21]
Das Gegenstück zur
Eliminierung ist die Additionsreaktion. Bei dieser lagern sich Atome oder Moleküle an
Doppel- oder Dreifachbindungen an und bilden Einfachbindungen.
Additionsreaktionen können sowohl an C-C-Mehrfachbindungen, also Alkenen oder Alkinen,
als auch an Kohlenstoff-Heteroatom-Mehrfachbindungen wie Carbonylgruppen, Thiocarbonylgruppen oder Nitrilen stattfinden. Wie die Substitutionen lassen sich
auch die Additionen je nach angreifendem Teilchen in mehrere Gruppen einteilen.
Bei der elektrophilen
Addition greift ein
Elektrophil, häufig ein Proton, an der Doppelbindung unter Bildung eines
Carbeniumions an. Dieses reagiert mit Nukleophilen unter Bildung des Produktes.
Für die Bildung des Carbeniumions
gibt es zwei Möglichkeiten – auf welcher Seite der Doppelbindung es bevorzugt
gebildet wird, hängt bei asymmetrischen Alkenen von der Stabilisierung durch
unterschiedliche Reste ab. Eine Regel, welches der Produkte bevorzugt gebildet
wird, bietet die Markownikow-Regel.
Soll die Addition einer
funktionellen Gruppe am weniger substituierten Kohlenstoffatom der
Doppelbindung stattfinden, ist die elektrophile Substitution mit Säuren nicht
möglich. Eine Möglichkeit bietet dieHydroborierung, bei der das Boratom als Elektrophil wirkt und daher
entsprechend der Markownikow-Regel am weniger substituierten Kohlenstoffatom
angreift. Durch Oxidation oder Halogenierung können in einem weiteren Schritt dann
andere funktionelle Gruppen gebildet werden.[22]
Während bei den elektronenreichen
Alkenen und Alkinen vor allem die elektrophile Addition auftritt, spielt bei
den Kohlenstoff-Heteroatom-Mehrfachbindungen und vor allem deren wichtigstem
Vertreter, der Carbonylgruppe, die nukleophile Addition eine wichtige Rolle. Diese ist häufig
mit einer Eliminierung verbunden, so dass nach der Reaktion die Carbonylgruppe
wieder vorliegt. Dieses kann bei Carbonsäurederivaten wie Carbonsäurechloriden,
-estern oder -anhydriden erfolgen, die eine geeignete
Abgangsgruppe an der Carbonylgruppe tragen. Es wird dabei häufig vom Additions-Eliminierungsmechanismus gesprochen. Dieser wird häufig durch
Säuren oder Basen katalysiert, die (bei Säuren) durch Anlagerung an das
Sauerstoffatom die Elektrophilie der Carbonylgruppe oder (bei Basen) die Nukleophilie
des angreifenden Nukleophils erhöhen.[23]
Ein Angriff durch eine
nukleophile Addition kann gemäß dem Vinylogie-Prinzip auch an die Doppelbindung von
α,β-ungesättigten Carbonylverbindungen wie Ketonen oder Estern stattfinden. Ein wichtiger Vertreter
dieser Reaktionsart ist die Michael-Addition.[24]
Additionen können wie
Substitutionen nicht nur durch Nukleophile und Elektrophile, sondern auch durch
Radikale ausgelöst werden. Wie bei der radikalischen Substitution verläuft auch
die radikalische Addition in Form einer Kettenreaktion. Diese
Reaktion ist die Grundlage der radikalischen
Polymerisation.[25]
Weitere
organische Reaktionsmechanismen[Bearbeiten]
Umlagerungen sind
Reaktionen, bei denen die Atome oder Molekülteile einer organischen Verbindung
erhalten bleiben, aber neu angeordnet werden. Hierzu zählen
Hydridverschiebungs-Reaktionen wie die Wagner-Meerwein-Umlagerung,
bei der zunächst ein Carbokation gebildet wird, das sich anschließend unter
Verschiebung eines Hydrid-Iones zu einem stabileren Carbokation umlagert. Meist
sind Umlagerungen jedoch mit dem Brechen und Neubilden von C-C-Bindungen
verbunden. Typische Beispiele hierfür sind sigmatrope
Umlagerungen wie die Cope-Umlagerung, bei der in einer cyclischen
Reaktion gleichzeitig eine C-C-Bindung gebrochen und eine andere gebildet wird.[26]
Wie die sigmatropen Umlagerungen
gehören auch Cycloadditionen zu den pericyclischen
Reaktionen. Bei dieser Reaktion wird aus mehreren, meist zwei,
Doppelbindungen enthaltenden Molekülen ein cyclisches Molekül gebildet. Die
wichtigste Cycloaddition ist die Diels-Alder-Reaktion,
eine [4+2]-Cycloaddition, bei der ein Dien und ein Alken (auch als Dienophil
bezeichnet) zu einem Cycloalken reagieren.
Neben der
Diels-Alder-Reaktion gibt es auch die [2+2]-Cycloaddition, bei der zwei Alkene oder andere Verbindungen
mit Doppelbindungen wie Ketone miteinander reagieren. Mit 1,3-Dipolen wie Ozon, Diazomethanoder Nitriloxiden sind ebenfalls Cycloadditionen möglich. Ob und
wie eine Cycloaddition abläuft, hängt von der Anordnung der p-Orbitale der beteiligten Doppelbindungen ab.
Diese müssen so gegeneinanderstehen,
dass jeweils Orbitale mit dem gleichen Vorzeichen der Wellenfunktion überlappen und damit
konstruktiv wechselwirken können und die energetisch günstigeren
Einfachbindungen bilden. Cycloreaktionen können sowohl thermisch als auch photochemisch durch Bestrahlung mit Licht
induziert werden. Da bei der Bestrahlung Elektronen in Orbitale gebracht werden,
die eine andere Anordnung und Symmetrie besitzen, sind photochemisch andere Cycloadditionen
möglich als thermisch. So sind Diels-Alder-Reaktionen thermische
Cycloadditionen, während [2+2]-Cycloadditionen durch Bestrahlungen induziert
werden müssen.[27]
Durch die Orbitalanordnungen werden die
möglichen entstehenden Produkte und -bei stereoisomeren Edukten- auch
deren Stereoisomerie eingeschränkt.
Wie dies stattfindet, wird durch die Woodward-Hoffmann-Regeln beschrieben.[28]
In biochemischen Reaktionen sind Enzyme von
zentraler Bedeutung. Diese Proteine katalysieren
meist speziell eine einzelne Reaktion, so dass Reaktionen sehr exakt gesteuert
werden können. Es sind aber auch Enzyme bekannt, die mehrere spezielle
Funktionen katalytisch beschleunigen können. Die Reaktion findet in einem
kleinen Teil des Enzyms, dem Aktiven Zentrum statt, während der Rest des
Enzyms überwiegend zur Stabilisierung dient. Das aktive Zentrum liegt in einer
Grube oder Furche des Enzyms. Für die katalytische Aktivität sind unter anderem
Bindungen an das Enzym, die veränderte, hydrophobe, chemische Umgebung und die
räumliche Nähe der Reaktanten verantwortlich, während die spezielle Form des
aktiven Zentrums für die Selektivität verantwortlich ist.[29]
Die Gesamtheit der biochemischen
Reaktionen im Körper bezeichnet man als Stoffwechsel. Zu den wichtigsten Mechanismen
zählt der Baustoffwechsel,
bei dem in unterschiedlichen durch die DNA und
Enzyme gesteuerten Prozessen wie der Proteinbiosynthese aus
einfachen Vorläufersubstanzen komplexe Naturstoffe wie Proteine oder Kohlenhydrate synthetisiert werden.
Daneben existiert der Energiestoffwechsel,
durch den mit Hilfe chemischer Reaktionen die für eine Reaktion, etwa des
Baustoffwechsels, notwendige Energie bereitgestellt wird. Ein wichtiger
Energielieferant ist die Glucose, die durch
Pflanzen in der Photosynthesehergestellt
werden kann oder mit der Nahrung aufgenommen wird. Diese ist jedoch nicht
direkt nutzbar, stattdessen wird über die Zellatmung und die Atmungskette mit Hilfe von
Sauerstoff ATP erzeugt,
das als Energielieferant für die weiteren Reaktionen dient.
→ Hauptartikel: Chemische
Reaktionstechnik
Chemische Reaktionen und ihre
Durchführung sind zentral für die technische Chemie. Sie werden in großer Zahl
zur Synthese neuer Verbindungen aus natürlich vorkommenden Grundstoffen
wie Erdöl, Erzen, Luftoder nachwachsenden
Rohstoffen eingesetzt. Häufig werden zunächst einfache
Zwischenprodukte synthetisiert, aus denen dann die Endprodukte wie Polymere, Waschmittel, Pflanzenschutzmittel, Pharmaka oderFarbstoffe hergestellt werden. Technische
Reaktionen finden in Reaktoren wie Rührkesseln oder Strömungsrohren statt.
Für die Technik ist es besonders
wichtig, die Reaktionsführung so wirtschaftlich wie möglich zu gestalten. Dazu
zählen etwa ein minimaler Rohstoff- und Energieeinsatz, hohe
Reaktionsgeschwindigkeiten und hohe Ausbeuten mit möglichst wenigen
Abfallprodukten. Von großer Bedeutung ist daher der Einsatz von Katalysatoren,
die sowohl die Reaktionsgeschwindigkeit erhöhen als auch den Energieeinsatz
verringern.[30] Um geringe Abfallmengen zu
gewährleisten, werden in technischen Anwendungen häufig Reaktionen gewählt, die
eine hohe Atomökonomie aufweisen,
bei denen also ein Großteil der Edukte sich im gewünschten Produkt
wiederfindet.[31]
Wie chemische Reaktionen beobachtet und
verfolgt werden können, hängt stark von der Reaktionsgeschwindigkeit ab. Bei
langsamen Reaktionen können während der Reaktion Proben entnommen und
analysiert werden. Dabei werden die Konzentrationen der einzelnen Inhaltsstoffe
der Reaktionsmischung bestimmt und so der Konzentrationsverlauf während der
Reaktion verfolgt. Ändern sich die Konzentrationen nach einiger Zeit nicht
mehr, ist die Reaktion abgeschlossen und im Gleichgewicht angekommen. Damit die
Reaktion während der Messung nicht zu sehr voranschreitet, werden vor allem
schnelle und einfach durchzuführende Analyseverfahren wie die Dünnschichtchromatographie oder Massenspektrometrie eingesetzt.
Auch eine kontinuierliche Beobachtung während der Reaktion ist durch spektroskopische Methoden möglich, wenn
damit beispielsweise die Konzentration einer farbigen Substanz in der Mischung
bestimmt werden kann. Ist dies nicht möglich, kann mitunter auch ein spezieller
Marker, etwa ein radioaktives Isotopeingesetzt werden, dessen Konzentration
dann gemessen wird. Dies wird beispielsweise in der Szintigrafie für die Beobachtung von
Stoffwechselvorgängen eingesetzt, bei denen sich bestimmte Elemente in
einzelnen Organen anreichern. Oberflächenreaktionen können unter günstigen
Voraussetzungen direkt mit einem Rastertunnelmikroskop auf
molekularer Ebene beobachtet werden.[32]
Bei Nachweisreaktionen spielen
sogenannte Indikatoren eine
wichtige Rolle, das sind Stoffe, die sich beispielsweise in ihrer Farbe
verändern, wenn ein bestimmter Punkt der Reaktion erreicht ist. Bekannt sind
vor allem Säure-Base-Indikatoren, die ihre Farbe ändern, sobald eine Lösung
neutralisiert wurde und der pH-Wert vom Sauren
ins Basische wechselt oder umgekehrt. Auch selektive Fällungsreaktionen können
zum Nachweis von Stoffen oder etwa im Kationentrennungsgang zur
Auftrennung vor dem genauen Nachweis genutzt werden.
Je schneller eine Reaktion abläuft,
desto schwieriger wird es, sie zu beobachten. Für kinetische Untersuchungen
schneller Reaktionen wird die Ultrakurzzeit-Spektroskopie verwendet,
die mit Hilfe vonFemtosekundenlasern eine
Zeitauflösung im Bereich von Piko- oder Femtosekunden ermöglicht. So lassen
sich auch kurzlebige Übergangszustände während der Reaktion beobachten.[33]
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Dieser Artikel wurde
am 9. Oktober 2010 in dieser
Version in die Liste der exzellenten
Artikel aufgenommen.
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