Donnerstag, 11. Februar 2016

0032 Nutzen von Biozidprodukten- eine Betrachtung des VCI

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Nutzen von Biozidprodukten

Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit:
VCI-Dossier zum Nutzen von Biozidprodukten

Einleitung
Mit der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (BPR)[i], die seit dem 1. September 2013 gilt, werden erstmals Biozidprodukte innerhalb der Europäischen Union[1] einheitlich geregelt. Die BPR unterscheidet 22 verschiedene Produktarten (PT), die in fünf Hauptgruppen zusammengefasst sind. Gemeinsam ist allen Biozidprodukten, dass sie dazu bestimmt sind, gegen Schadorganismen zu wirken oder sie abzuschrecken.[2] Als Desinfektionsmittel oder Schädlingsbekämpfungsmittel schützen sie vor gefährlichen Krankheiten bzw. ihren Überträgern. Außerdem werden sie zum Schutz leicht verderblicher Materialien eingesetzt. Ein komplexes Zulassungsverfahren stellt sicher, dass die Herstellung und Verwendung von bioziden Produkten keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier und keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt hat.
Bei einer nachhaltigen Verwendung haben Biozidprodukte einen großen wirt­schaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Nutzen, der im Folgenden für die verschiedenen Arten von Biozidprodukten näher erläutert wird.

Hauptgruppe 1: Desinfektionsmittel
Desinfektionsmittel leisten einen wichtigen Beitrag zum Gesundheitsschutz, in dem sie die Verbreitung von Infektionen durch gesundheitsschädliche Mikroorganismen verhindern.
PT 1: Menschliche Hygiene
Unter die Produktart 1 fallen beispielsweise Handdesinfektionsmittel. Sie dienen z. B. der Verhinderung von nosokomialen Infektionen (in Kliniken erworbene Infektionen) und zur Prophylaxe bei Pandemien. In seinen Empfehlungen weist das Robert-Koch-Institut, die zentrale Einrichtung der deutschen Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und –prävention, auf die Bedeutung der Händehygiene gerade in Krankenhäusern hin.[ii],[iii],[iv] 
Die Vorteile einer Händedesinfektion gegenüber gründlichem Waschen mit Seife werden dabei explizit aufgezeigt. Weltweit setzt sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit dem Programm „Clean Care is Safer Care“ für die Vermeidung krankenhausinduzierter Infektionen ein.[v] In Deutschland wird dieses von der WHO initiierte Programm mit der „Aktion Saubere Hände“ umgesetzt.[vi] Auch im nicht-klinischen, privaten Bereich kann eine Händedesinfektion in vielen Fällen zur Prophylaxe zum Schutz bestimmter Personengruppen sinnvoll sein.[vii]
PT 2: Desinfektionsmittel und Algenbekämpfungsmittel, die nicht für eine direkte Anwendung bei Menschen und Tieren bestimmt sind
Produkte der PT 2 sind Algenbekämpfungsmittel oder Desinfektionsmittel für alle Arten von Oberflächen, die nicht in direkter Verbindung mit der Herstellung von Lebensmitteln stehen.

Im medizinischen Bereich ‑ in Kliniken oder in Arztpraxen ‑ ist die Desinfektion von Arbeitsbereichen wie Operationssälen von enormer Bedeutung, um eine Übertragung von Infektionen auf Patienten und Personal zu verhindern. Auch eine Desinfektion des Wartezimmers oder der sanitären Einrichtungen kann angeraten sein.[viii] Dabei beschränkt sich die Notwendigkeit einer Desinfektion nicht nur auf die „harten“ Oberflächen wie Möbel und Fußböden, sondern auch auf „weiche“ Materialien, wie z. B. Textilien. Gerade die hygienische Aufbereitung von Textilien für das Gesundheitswesen verlangt Waschverfahren mit desinfizierenden Waschmitteln. Hierzu legt das Robert-Koch-Institut in seiner Richtlinie detaillierte Anforderungen an die Hygiene der Wäsche fest.[ix] Durch das verstärke Auftreten von nosokomialen Infektionen ist in Deutschland die Anforderung an Hygiene durch die Novellierung des Infektionsschutzgesetzes im Jahre 2011 deutlich erhöht worden.[x]

Auch im privaten Haushalt kann der gezielte Einsatz von antimikrobiellen Reinigern insbesondere zum Schutz bestimmter Personengruppen (Säuglinge, Kleinkinder, Schwangere, alte Menschen und Personen, die z. B. wegen einer Erkrankung oder Medikamenteneinnahme immungeschwächt und besonders infektionsgefährdet sind) sinnvoll sein. Ein Beispiel dafür ist die Desinfektion von Toilette und Bad bei besonders hohen Hygieneansprüchen, z. B. im Falle von ansteckenden Magen‑ und Darm­erkrankungen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt in bestimmten Fällen, wenn dies bei Erkrankungen vom Arzt oder Gesundheitsamt empfohlen wurde, die Verwendung spezieller Desinfektionsmittel im privaten Haushalt.

Bei Schimmelbefall von Gegenständen oder Wänden sind zum Gesundheitsschutz unbedingt Maßnahmen erforderlich, um diesen zu beseitigen. Eine Desinfektion bietet rasch die Möglichkeit, die weitere Ausbreitung des Schimmels zu verhindern und gesundheitsschädigende Sporen zu eliminieren.

Neben dem direkten Schutz der menschlichen Gesundheit ist eine Oberflächen­desinfektion auch bei der Herstellung vieler Produkte notwendig: Keimfreie Ober­flächen gewährleisten sowohl bei der Herstellung von Pharmazeutika und Medizin­produkten, wie auch in der Kosmetikindustrie die Herstellung „sicherer“ Produkte, indem sie Produktkontaminationen verhindern.

Ein weiteres Beispiel, in dem durch die Verwendung von Produkten der PT 2 ein Beitrag zur Nachhaltigkeit geleistet wird, ist der Erhalt der Qualität von Badewasser. Für öffentliche Bäder gelten Hygienevorschriften, die eine Aufbereitung des Wassers beinhalten.[xi] Die Verfahren und die Verwendung der Produkte sind durch eine Reihe von Vorschriften geregelt. [xii],[xiii] Dies trägt zum Gesundheitsschutz bei und hat einen positiven Einfluss auf die Gebrauchsdauer.

PT3: Hygiene im Veterinärbereich
Bei der Tierhaltung und bei der Gewinnung von Lebensmitteln tierischen Ursprungs wird durch den Einsatz von Desinfektionsmitteln eine hygienische Umgebung geschaffen. So werden die Tiere bei optimaler Gesundheit erhalten und sowohl der Ausbreitung von Tierseuchen als auch von Krankheiten des Menschen vorbeugend entgegengewirkt.
Aktuelle Diskussionen und Initiativen zur Verringerung des Antibiotika-Einsatzes in der Tierhaltung sind nur möglich mit Hilfe einer optimalen Hygiene, unterstützt durch den richtigen Einsatz von Desinfektionsmitteln.

PT 4: Lebens- und Futtermittelbereich
Produkte der PT 4 dienen der Desinfektion von Materialien, die im direkten Zusammenhang mit der Herstellung und Lagerung von Lebens‑ oder Futtermitteln stehen. Sowohl in der industriellen als auch in der gewerblichen Herstellung von Lebensmitteln gibt es die Notwendigkeit, Geräte und Arbeitsflächen zu desinfizieren.

Die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene[xiv] schreibt beispielweise vor, dass die Reinigung und die Desinfektion von Gegenständen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, so häufig erfolgen müssen, dass kein Kontaminationsrisiko besteht. Bei der Verarbeitung von frischem Fleisch und Geflügel  sowie bei Fisch ist eine Desinfektion ‑ zur Vermeidung von z. B. Salmonellen ‑ erforderlich. [xv],[xvi] [xvii]

Ein hoher Hygienestandard in Bereichen professioneller Großverpflegung - Restaurants, Kantinen, Krankenhäusern oder auch Catering-Betrieben ist unabdingbar. Überall dort, wo Speisen professionell für eine große Anzahl von Personen zubereitet werden, müssen Hygienemaßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Verbraucher getroffen werden. 

Durch den Einsatz von Desinfektionsmitteln können Flächen, Geschirr und Arbeitsgeräte sowie die Hände so gereinigt und desinfiziert werden, dass neben einer optischen Sauberkeit auch mikrobiologisch ein einwandfreier Zustand erreicht werden kann. Die immer wieder auftretenden Ausbrüche von Erkrankungen durch Noroviren unterstreichen diese Notwendigkeit.

Insbesondere für bestimmte Personengruppen, wie Säuglinge, Schwangere, alte Menschen und Personen, die z. B. wegen einer Erkrankung oder Medikamenteneinnahme immungeschwächt und besonders infektionsgefährdet sind, kann auch eine Desinfektion in der privaten Küche, beispielsweise von Arbeitsflächen mit direktem Lebensmittelkontakt, Regalen und Ablageflächen im Kühlschrank oder von elektrische Küchengeräten mit direktem Lebensmittelkontakt sinnvoll sein.

PT 5: Trinkwasser
Sauberes und unbedenkliches Frischwasser für Menschen und Tiere sind Grundvoraussetzungen für die Gesundheit. Durch Krankheitserreger im Trinkwasser würden rasch viele Menschen erreicht und infiziert. Daher muss dieses Risiko sehr gering gehalten werden.[xviii] Dies ist nur möglich durch eine sorgfältige Aufarbeitung von Frischwasser mit Hilfe von Desinfektionsmitteln und wird auch europäisch durch die europäische Trinkwasserrichtlinie[xix] und die nationalen Trinkwasserverordnungen[xx] gefordert und geregelt. Basis ist hier in der Regel die zielgerichtete und überwachte Desinfektion direkt im Wasserwerk. 
Welche Verfahren zur Desinfektion von Trink­wasser eingesetzt werden, ist festgelegt.[xxi],[xxii] 
Die Trinkwasserversorgung auf Schiffen unterliegt außerdem weiteren Vorschriften.

Das immer wiederkehrende Auftreten von Legionellen zeigt, wie sensibel der Trink­wasserbereich ist. Durch geeignete Desinfektionsmaßnahmen ist die Kontrolle dieser Bakterien im System möglich.[xxiii]

Hauptgruppe 2: Schutzmittel
In der Hauptgruppe 2 sind Produktarten zusammengefasst, die dazu dienen, die Qualität unterschiedlicher Produkte zu verbessern und ihre Lebensdauer zu ver­längern. Oft handelt es sich um komplexe Produkte und Verfahren mit hohem Rohstoff- und Energieeinsatz. Durch den Einsatz von Schutzmitteln wird der Materialverbrauch reduziert, werden industrielle Prozesse effizienter gemacht und so wertvolle Energie- und Rohstoffressourcen geschont.
PT 6: Schutzmittel für Produkte während der Lagerung
Produkte der PT 6 werden auch als Konservierungsmittel bezeichnet. Die Verwendung von Konservierungsmitteln führt dazu, dass Produkte länger haltbar sind und auch nach längerer Lagerung noch bestimmungsgemäß verwendet werden können.
Wasserbasierte Verbraucherprodukte benötigen in aller Regel Konservierungsstoffe, um ausreichend lange lagerfähig und verwendbar zu sein. Das liegt auch daran, dass z. B. bestimmte, in diesen Verbraucherprodukten eingesetzte Stoffe leicht biologisch abbaubar sein müssen und als Lösungsmittel zum ganz überwiegenden Teil Wasser eingesetzt wird. Beides macht diese Produkte bereits bei der Lagerung ‑ z. B. gegen­über Bakterien und Schimmelpilzen ‑ anfällig. Durch Zusatz von Konservierungsstoffen wird die Verwendbarkeit verlängert und die Sicherheit solcher Produkte für Ver­braucher erreicht. Eine frühzeitige Entsorgung kann so verhindert werden, was folglich Ressourcen einspart.
PT 7: Beschichtungsschutzmittel
Biozidprodukte der PT 7 dienen dem Schutz unterschiedlicher Oberflächen vor mikro­bieller Schädigung oder Algenwachstum. Ein Beispiel dafür sind mit einem vorbeugen­den resistenten Filmschutz[3] ausgerüstete Fassaden- oder Holzbeschichtungen. Gegen­über unbehandelten Beschichtungen entsteht bei ungünstigen Witterungs­ver­hältnissen weniger Bewuchs, der nicht nur optisch stört sondern auch zu Schäden führen kann. Der Renovierungszyklus einer Fassade kann durch die Verwendung mit einem vorbeugenden resistenten Filmschutz ausgerüsteter Systeme deutlich ver­längert werden und schützt somit Ressourcen wie Holz, Putz und Farbe.[xxiv],[xxv],[xxvi],[xxvii]
PT 8: Holzschutzmittel
Holzschutzmittel tragen dazu bei, die Lebensdauer von Holzprodukten deutlich zu ver-längern. Außenholzprodukte aus heimischem Nadelholz wie Holzterrassen, Carports, Zäune, Fassadenbauteile oder auch Gartenmöbel sind der Witterung ausgesetzt und müssen vor holzzerstörenden oder -verfärbenden Organismen (wie Pilzen und Insekten) geschützt werden, um eine lange Funktionsfähigkeit zu erhalten.
Auch bei Holzbauteilen, die vor Regen und Feuchtigkeit geschützt sind – wie z. B. bei Dachstühlen – kann die Verwendung von Biozidprodukten der PT 8 erforderlich sein, um sie vor holzzerstörenden Organismen zu schützen. So kann mit einem Holzschutz­mittel behandeltes Bauholz wesentlich zum Erhalt der Standsicherheit eines Gebäudes und damit dem Schutz der Bewohner beitragen.[xxviii] Ist bei ungeschützten Holzbauteilen ein Befall durch Schadorganismen eingetreten – beispielsweise durch holzzerstörende Insekten oder den Echten Hausschwamm – können diese mit geeigneten Biozidpro­dukten bekämpft werden.[xxix] Damit wird eine Ausbreitung des Befalls verhindert, der Schaden begrenzt und die Bausubstanz oder aber auch wertvolle Holzgegenstände bleiben erhalten.
In vielen Fällen wird erst durch den Einsatz von Holzschutzmitteln eine wirtschaftlich sinnvolle Verwendung heimischer Holzarten mit geringer natürlicher Dauerhaftigkeit ermöglicht. Es werden durch die Verlängerung der Gebrauchsdauer der geschützten Hölzer natürliche Ressourcen geschont und ein positiver Beitrag zur CO2-Bilanz geleistet. Zudem tragen Holzschutzmittel auch dazu bei, die Verwendung tropischer Hölzer zu reduzieren.
PT 9: Schutzmittel für Fasern, Leder, Gummi und polymerisierte Materialien
Biozidprodukte der PT 9 dienen dem Schutz verschiedener Materialien. Sie reduzieren den Befall mit Mikroorganismen und verlängern auf diese Weise die Lebensdauer unterschiedlicher Gegenstände.
Ein Anwendungsbeispiel ist die Anwendung von Biozidprodukten auf Reinigungs­tüchern: Reinigungstücher werden beim Gebrauch mit allerlei Verschmutzungen be­aufschlagt. Da oft nass gereinigt wird, finden Bakterien ein gutes Milieu für ein ver­mehrtes Wachstum vor. Durch eine biozide Ausrüstung wird das Fasermaterial des Tuches geschützt, die Bakterien können sich dort nicht festsetzen.
Durch den Einsatz waschpermanenter Ausrüstungen leidet der Effekt auch nach vielen Wäschen nicht. Da das Bakterienwachstum auf dem Reinigungstuch gehemmt wird, entstehen während der Gebrauchsdauer des Reinigungstuchs keine unangenehmen Gerüche durch die Metaboliten der Bakterien. Die Gebrauchsdauer solcher Tücher wird so erhöht und der Verbrauch verringert. Ein weiterer positiver Effekt ist, dass eine Kontamination im Zuge der Reinigungstätigkeit vermindert wird.
PT 10: Schutzmittel für Baumaterialien
Um Mauerwerk oder andere Baumaterialien zu schützen, werden Biozidprodukte der PT 10 verwendet. Biozidprodukte dieser Produktart haben nicht nur die Aufgabe, durch Verhinderung eines Befalls mit Schimmelpilzen, Algen oder anderen Mikroorganismen die damit behandelten Baumaterialien in einem optisch guten Zustand zu erhalten, sondern sie stellen auch deren Funktionalität während ihrer Nutzungsphase sicher. Baumaterialien müssen insbesondere dann mit Biozidprodukten der PT 10 ge­schützt werden, wenn diese Materialen dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum Feuchtig­keit und Nässe ausgesetzt sind. Dies ist z. B. im bewitterten Außenbereich (Fassaden u. ä.) der Fall (s. a. PT 7).

PT 11: Schutzmittel für Flüssigkeiten in Kühl- und Verfahrenssystemen
Biozidprodukte der PT 11 werden beispielsweise in Kühlsystemen gegen den Befall durch Algen eingesetzt. Außerdem wird so auch das Auftreten von Legionellen vermieden. Durch diese Maßnahme kann Kühlwasser in einem Kreislauf über einen längeren Zeitraum verwendet werden. Dies führt zu einer Reduzierung der erforderlichen Frischwassermenge gegenüber dem Einsatz von unbehandeltem Kühlwasser. Prozesse, die einer Kühlung bedürfen können so kostengünstiger und umweltfreundlicher durchgeführt wer­den. Geeignete Maßnahmen werden in verschiedenen Richtlinien beschrieben.23,[xxx],[xxxi]

PT 12: Schleimbekämpfungsmittel
Insbesondere bei industriellen Verfahren, bei denen Wasser als Produktionshilfsmittel eingesetzt wird, entsteht mikrobieller Schleim. Dieser macht Prozesse ineffizient, ver­ursacht Störungen und Schäden von Anlagen. So lassen sich bei derartigen Prozessen wie z. B. bei der Zellstoff- und Papierherstellung oder bei der sekundären Ölförderung durch den Einsatz von Biozidprodukten jährlich große Mengen Frischwasser einsparen und durch mikrobiellen Schleim verursachte Korrosion von Anlagen eindämmen.

PT 13: Schutzmittel für Bearbeitungs- und Schneideflüssigkeiten
In modernen Maschinen sind funktionierende Metallbearbeitungsflüssigkeiten und Kühlschmierstoffe (KSS) unverzichtbar. Mit ihnen können mittels hoher Gesamt­energiebedarfe hergestellte Metallrohstoffe präzise bearbeitet werden.
KSS sind während ihres Einsatzes vielen negativen Einflüssen ausgesetzt, die mikro­bielles Wachstum fördern. Mikrobielle Verunreinigungen von wassergemischten Kühl­schmierstoffen führen zu technischen Störungen und stellen für die Verarbeiter Gesundheits- und Sicherheitsrisiken dar. Außerdem kann durch Verunreinigungen der pH-Wert des Systems abfallen, was zu Beeinträchtigungen im Korrosionsschutz und in der Emulsionsstabilität führt. Infolgedessen kommt es zu schlechter Bearbeitungs­leistung und kürzeren Werkzeug- und Systemstandzeiten.
Durch den Einsatz von Biozidprodukten werden das mikrobielle Wachstum und seine Auswirkungen reduziert. Der bestimmungsgemäße Einsatz von Biozidprodukten für PT 13 unterstützt eine nachhaltige Verwendung durch Minimierung der Abfallvolumina (Ökologie) durch eine längere Gebrauchsverfügbarkeit (Ökonomie) und leistet außerdem einen Beitrag zu Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit (Soziales).

Hauptgruppe 3: Schädlingsbekämpfungsmittel
Schädlinge wie Ratten, Mäuse und Flöhe stellen eine Gefahr für die menschliche Gesundheit dar. Sie spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Übertragung von Krankheiten. Außerdem schädigen sie Nahrungsvorräte, indem sie Lebensmittel verunreinigen oder vernichten. Sie können das Eigentum des Menschen zerstören und technische Defekte verursachen.[xxxii],[xxxiii]
In der Hauptgruppe 3 sind Biozidprodukte zur Bekämpfung der verschiedenen Schädlinge zusammengefasst. Diese Produkte leisten einen wichtigen Beitrag zum Erhalt von Gesundheit und Lebensqualität (soziale Komponente der Nachhaltigkeit).
PT 14: Rodentizide
Nagetiere können als Gesundheits- oder Hygieneschädlinge die menschliche Gesund­heit beeinträchtigen. So können beispielsweise mehr als 100 verschiedene Krank­heiten von der Ratte auf den Menschen übertragen werden.[xxxiv] Als Vorrats- oder Materialschädlinge richten sie Schaden an, in dem sie Vorräte vernichten oder ver­un­reinigen und Gegenstände unbrauchbar machen. Eine Vielzahl von Informationen zur Bekämpfung von Ratten zeigt, dass diese Nager noch immer ein weit verbreitetes Problem darstellen. Das niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat im Februar 2014 in einem Leitfaden eine wirksame Strategie zur Rattenbekämpfung herausgegeben, in dem der Einsatz von Rodentiziden als alternativlos beschrieben wird.[xxxv] In den meisten Kommunen sind Haus- bzw. Grundstückseigentümer außerdem laut § 17 des Infektionsschutzgesetz zur Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen verpflichtet.10,[xxxvi].
PT 18: Insektizide und PT 19: Repellentien und Lockmittel
Insekten können auf unterschiedliche Weise schädlich für den Menschen sein: Eine große Anzahl von Krankheiten – Malaria, Dengue-Fieber oder das West-Nil-Fieber – werden z. B. durch Mücken übertragen.[xxxvii] Die Gefahr von Epidemien wächst, wenn insbesondere nach Flutkatastrophen die Mückenpopulation in betroffenen Ge­bieten steigt. Die WHO warnte daher nach der Flutkatastrophe auf dem Balkan im Mai 2014 vor Ausbruch des West-Nil-Virus und beriet mit den betroffenen Staaten Maß­nahmen zur Verhütung. Wichtiges Instrument dabei ist die Bekämpfung der Mückenpopulation und ihrer Larven.[xxxviii]
Aber auch ohne Flutkatastrophen können Insektenstiche Gefahren bergen. Der Einsatz von Repellentien erhöht den Schutz gegen Insekten (wie Mücken und Bremsen) und Zecken und hilft so Bissen bzw. Stichen vorzubeugen. Insektenstiche sind nicht nur lästig, oder im Falle einer Krankheitsübertragung gefährlich, sondern können auch zu Hautinfektionen führen, entweder direkt durch den Stich oder wenn die Einstichstelle durch den ausgelösten Juckreiz aufgekratzt wird.[xxxix],[xl]
Andere gesundheitliche Auswirkungen hat der Eichenprozessionsspinner. Die giftigen Haare seiner Raupen führen beim Menschen zu Allergien und – insbesondere bei Kindern – zu starken gesundheitlichen Beschwerden. In der Nähe von Kindergärten ist es daher dringend erforderlich, Maßnahmen gegen den Eichenprozessionsspinner und seine Raupen zu ergreifen. Mit dem zielgerichteten Einsatz entsprechender Biozid­produkte können Risikogruppen effektiv geschützt werden.[xli],[xlii],[xliii]
In anderen Fällen stellen Insekten keine unmittelbare Bedrohung der Gesundheit dar, können aber dennoch einen erheblichen Schaden anrichten. Beispiele dafür sind Kleider­motten und Pelzkäfer, die durch Fraß materiellen Schaden anrichten sowie Lebensmittelschädlinge wie Schaben, Ameisen oder Brotkäfer, die große Mengen an Nahrungsmitteln verderben und unbrauchbar machen können. Neben dem wirtschaft­lichen Schaden besteht in diesen Fällen auch ein Gesundheitsrisiko. Der Einsatz von Pheromon-Fallen, die den Schädlingsbefall verhindern, kann einen erheblichen wirt­schaftlichen Schaden abwenden.

Hauptgruppe 4: Sonstige Biozidprodukte
PT 21: Antifouling-Produkte
Produkte der PT 21 werden u. a. eingesetzt, um den Bewuchs an Schiffen durch beispielsweise Algen oder Muscheln zu verhindern. Auf diese Weise wird das Fahr­verhalten eines Schiffes positiv beeinflusst und wesentlich zum Einsparen von An­triebsenergie beigetragen. Dies bedeutet auch, dass bei gleicher Fahrleistung weniger CO2-Emissionen in die Umwelt gelangen. Nach Angaben der International Maritime Organization (IMO) führt der Bewuchs am Schiffsrumpf durch Reibungsverluste zu einem bis zu 50 % höheren Treibstoffverbrauch.[xliv]
Ein weiterer positiver Effekt ist, dass die Gefahr des Einschleppens fremder Arten (z. B. Pflanzen oder Muscheln) verringert wird. Containerschiffe legen meist weite Strecken zurück und können gebietsfremde Arten als „Blinde Passagiere“ mitführen. Durch den Einsatz von Anti-Fouling-Produkten wird diese Gefahr verringert und dem Einschleppen invasiver Arten vorgebeugt.
Der Schutz von Schiffen gegen marinen Bewuchs stellt einen wichtigen ökologischen und ökonomischen Faktor dar.

Fazit
Biozidprodukte sind dazu bestimmt, gegen unterschiedliche Schadorganismen zu wirken. Sie sollen umsichtig und zu den für sie bestimmten Zwecken eingesetzt werden.
In der Europäischen UnionI gilt die Biozidprodukte-Verordnung (BPR). In ihr sind die Bereit­stellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten geregelt. Auch das Inverkehrbringen von behandelten Waren wird von der BPR erfasst. Voraussetzung für eine Vermarktung und Verwendung sind die Genehmigung der Wirkstoffe und die darauf folgende Zulassung der Produkte für die einzelnen Produktarten. Durch das Zulassungsverfahren wird sichergestellt, dass die Produkte einerseits wirksam sind, andererseits jedoch keine unannehmbaren Gefahren für Mensch und Umwelt durch sie entstehen. Sowohl in der Herstellung als auch für die Anwendung der Produkte sind innerhalb der Europäischen Union zahlreiche weitere Regelwerke zu beachten, die Menschen und Umwelt schützen und einen sicheren Umgang mit Chemikalien gewährleisten.
Für den hohen Gesundheits- und Hygienestandard unserer Gesellschaft sind Biozid­produkte unverzichtbar. Sie haben, wie die verschiedenen Beispiele zeigen, für die jeweiligen Anwendungsgebiete eine wichtige soziokulturelle/gesundheitliche, ökonomische und ökologische Bedeutung und somit einen nachhaltigen Nutzen.




[1] In Island, Liechtenstein und Norwegen gilt die BPR ebenfalls.
[2] BPR, Art. 3 (1): Ein Biozidprodukt ist jeglicher Stoff oder jegliches Gemisch […] der/ das dazu bestimmt ist, [auf andere Art…] Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen
[3] Durch den vorbeugenden resistenten Filmschutz ist gewährleistet, dass die Oberfläche auch gegenüber einem Schimmelpilzbefall / Grünbelägen / Pilz geschützt ist.




[xii]   DIN 19643 „Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser“
[xiv]  Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene, Amtsblatt der EU, L 139, 30.04.2004
[xxi]  DVGW Arbeitsblatt W224 „Verfahren zur Desinfektion von Trinkwasser“
[xxii] DIN EN 12671 „Produkte zur Aufbereitung von Wasser für den menschlichen Gebrauch – Vor Ort hergestelltes Chlordioxid“
[xxiii] Approved Code of Practice and Guidance „Legionnaires disease. The control of legionella bacteria in water systems” HSE Books ISBN 0 7176 1772 6
[xxiv] Lack im Gespräch, Informationsdienst Deutsches Lackinstitut, 2011, 110, 13
[xxv] Lack im Gespräch, Informationsdienst Deutsches Lackinstitut, 2012, 111, 3
[xxvi] Lack im Gespräch, Informationsdienst Deutsches Lackinstitut, 2012, 112, 7
[xxvii]       Lack im Gespräch, Informationsdienst Deutsches Lackinstitut, 2013, 117, 3
[xxviii]       DIN 68800-3 Holzschutz – Teil 3: Vorbeugender Schutz von Holz mit Holzschutzmitteln
[xxix] DIN 68800-4 Holzschutz – Teil 4: Bekämpfungs- und Sanierungsmaßnahmen gegen Holz zerstörende Pilze und Insekten, WTA-Merkblatt 1-2-05/D
[xxx] VDI Richtlinie 2047 „Rückkühlwerke, Sicherstellung des hygienegerechten Betriebs von Verdunstungskühlanlagen (VDI Kühlturmregeln)“
[xxxi] Ö-NORM M 5879-3 „Anforderungen an Chlorungsanlagen zur Wasserbehandlung. Teil 3: Chlordioxidanlagen“
[xxxii]         Link: http://www.biozid.info/deutsch/schaedlingsratgeber/ (Abgerufen am 12.11.2014)
[xxxv]       Leitfaden zur großräumigen Rattenbekämpfung in Niedersachsen, Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz), 4. Auflage, Februar 2014
[xxxvi]      Verordnung über Rattenbekämpfung, Hamburg, HmbGVBl. 1963, S. 129
[xxxvii]        Link: http://www.who.int/whopes/questions/en/ (Abgerufen am 13.11.2014)
[xl]   NDR, Ratgeber Gesundheit, Vorsicht bei entzündeten Mückenstichen, 05.08.2014
[xli]   LWF Merkblatt 15, November 2013
      Link: http://www.lwf.bayern.de/waldschutz/monitoring/066204/index.php (Abgerufen am 13.11.2014)

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